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Der Sonne entgegen: Happy Perihel!

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Sollte jemand es aus Versehen verpasst haben, Silvester zu feiern: Keine Angst! Heute Nacht gibt es noch einen Grund für eine Party. Am 5. Januar 2012 um circa 2 Uhr morgens erreicht die Erde ihr jährliches Perihel. Also den sonnennächsten Punkt ihrer Bahn.

Wie, der sonnennächste Punkt mitten im Winter? Ja genau. Denn der Abstand zwischen Erde und Sonne hat nichts mit den Jahreszeiten zu tun. Das merkt man ja auch daran, dass auf der Südhalbkugel derzeit Hochsommer herrscht. Die Bahn der Erde ist fast exakt kreisförmig. Es macht keinen wirklich großen Unterschied, ob sie sich im sonnennächsten oder sonnenfernsten Punkt befindet.

Heute Nacht wird die Erde 147098291 Kilometer von der Sonne entfernt sein. Am 5 Juli, wenn sie im Aphel steht, also dem sonnenfernsten Punkt, sind es 152098233 Kilometer. Ok, das sind fast 5 Millionen Kilometer Unterschied. Im Vergleich zu den 150 Millionen Kilometer, die die Erde im Durchschnitt von der Sonne entfernt ist, spielen diese 5 Millionen Kilometer aber keine große Rolle. Im Blog des Solar Dynamics Observatory (SDO) hat man das auch grafisch schön dargestellt:

i-878d7c64c64016b9adb773097e8e710b-SDOperihel-thumb-500x250.png

Links sehen wir die Sonne, wie sie von SDO am 5 Juli 2011 (da war sie das letzte Mal beim sonnenfernsten Punkt) gesehen hat. Die rechte Aufnahme stammt vom 3. Januar 2012 – also kurz vor dem kommenden Perihel. Der Unterschied ist nicht wirklich gewaltig groß – beachtet die blauen Linien oben und unten.

Das wir unser Perihel im (Nordhalbkugel)Winter feiern, ist Zufall. Auf langen Zeitskalen betrachtet verändert sich der Termin von Perihel bzw. Aphel. Man bezeichnet das als als “Apsidendrehung”. Das bedeutet, dass die Apsidenlinie, also die Linie die Perihel und Aphel verbindet, sich im Laufe der Zeit dreht. Das sieht dann z.B. so aus:

i-9e27745a350c672de92fa33a8920b22f-1000px-Drehung_der_Apsidenlinie.svg-thumb-500x500.png

Der Effekt ist hier nur schematisch und übertrieben dargstellt. So stark ist die Apsidendrehung bei keinem Planeten in unserem Sonnensystem ausgeprägt. Aber man erkennt schön, wie sich der Punkt des Perihels (blau) um die Sonne bewegt. So eine Perihelbewegung war bei einer der größten wissenschaftlichen Entdeckungen des letzten Jahrhunderts beteiligt. Bei Merkur konnte man mit dem Newtonschen Gravitationsgesetz die Periheldrehung einfach nicht korrekt beschreiben. Sein Perihel drehte sich schneller, als es laut Gravitationsgesetz zu erwarten war. Angeregt durch die grandiose Entdeckung des Planeten Neptun, dem man durch Abweichungen in der Bewegung des Uranus auf die Spur kam, vermuteten die Wissenschaftler in der zweiten Hälte des 19. Jahrhunderts, dass auch innerhalb der Merkurbahn noch ein unbekannter Planet stecken könnte. Der wurde provisorisch Vulkan getauft und unter Führung des großen Urbain Le Verrier der schon bei Neptun triumphierte, machte man sich auf, Vulkan zu finden. Das war knifflig, denn so nahe an der Sonne lässt sich schlecht beobachten. Man kann auch nicht warten, bis die Sonne untergegangen ist. Da Vulkan sich immer in der Nähe der Sonne befinden musste, wäre er mit ihr untergegangen. Daher versuchte man einerseits, einen Transit von Vulkan zu beobachten. Man wollte also sehen, wie der Planet von der Erde aus gesehen vor der Sonnenscheibe vorüber zog. Einer, der sich auf genau diese Suche machte, war übrigens Samuel Heinrich Schwabe. Vulkan fand er nicht, dafür entdeckte er bei seiner kontinuierlichen Sonnenbeobachtung aber den 11jährigen Sonnenfleckenzyklus. Neben den Transitbeobachtungen nutzte man auch Sonnenfinsternisse, um Vulkan zu finden. Aber auch hier blieben die Astronomen erfolglos. Erst 1915 konnte das Rätsel gelöst werden. Kein unbekannter Planet verursachte die zu schnelle Periheldrehung des Merkur. Man verwendete die falsche Formel, um die auf ihn wirkende Gravitationskraft zu berechnen! Erst als Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie konnte die Periheldrehung korrekt berechnen, alle Abweichungen zwischen Theorie und Beobachtung verschwanden. (Die ganze Geschichte der Suche nach Vulkan kann man übrigens im hervorragenden Buch “In Search of Planet Vulcan: The Ghost in Newton’s Clockwork Universe” nachlesen).

Also! Wenn ihr vom Wochenende noch ein paar Flaschen Sekt übrig habt, dann lasst uns heute Nacht auf das Perihel anstoßen! Prosit Perihel! ;)

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